12. Juli 2022
Interview mit Almut Schultheiß-Lehn
Inzwischen ist sie 100 Tage Teil des Kreisvorstands: Almut Schultheiß-Lehn berichtet über ihren Start in der Kreisverwaltung, über die Situation der Geflüchteten aus der Ukraine und aktuelle Herausforderungen.
Medien- und Kommunikationsbüro der Kreisverwaltung: Frau Schultheiß-Lehn, Sie haben nun die berühmten „ersten 100 Tage im Amt“ absolviert. Wie würden Sie die ersten Wochen in der Kreisverwaltung zusammenfassen und haben Sie sich im Kreishaus „eingelebt“?
Schultheiß-Lehn: Das Einleben wurde mir sehr leicht gemacht, ich bin in der Kreisverwaltung sehr offen empfangen worden. Ich habe in den ersten Tagen sehr viele Menschen kennengelernt und Termine absolviert. Außerdem war ich 28 Jahre Kreistagsmitglied, sodass ich das Haus natürlich auch schon ganz gut kannte.
Medienbüro: Was macht Ihr Amt als Kreisbeigeordnete aus Ihrer Sicht besonders spannend?
Schultheiß-Lehn: Eigentlich geht es immer um Menschen. Da muss man gelegentlich natürlich auch schnell auf einzelne Situationen reagieren und etwas möglich machen, Lösungen finden. Interessant finde ich auch die vielen Projekte, die hier laufen, die wir anstoßen können, viele Träger oder Gruppen, mit denen wir zusammenarbeiten. Das finde ich alles im Gesamtbild sehr spannend, aber es ist natürlich auch eine sehr große Aufgabe.
Medienbüro: Sie haben bereits angesprochen: In Politik und Verwaltung geht es immer um Menschen, denen man am liebsten immer einfach nur helfen möchte – inwiefern stehen dabei manchmal Vorschriften und Gesetze im Weg und wie gehen Sie damit um?
Schultheiß-Lehn: Wir sollten immer versuchen, Dinge zu ändern, Prozesse anzupassen und nicht immer „nein“ zu sagen oder „das geht halt nicht“.
Besser sollten wir versuchen, Wege und Lösungen zu finden. Und dabei ist es mir auch ganz wichtig, Zusammenhänge gut zu erklären. Und bei den Leuten auch ein Verständnis zu schaffen, warum etwas so ist und warum etwas so sein muss. Gesetzliche Regelungen müssen umgesetzt werden. Ich wünsche mir allerdings auch manchmal mehr Verständnis und Respekt vor anderen Meinungen und Bedürfnissen. Es gibt nicht nur schwarz oder weiß. Wir sollten alle mehr zuhören und kompromissbereiter sein.
Medienbüro: Sie haben mit dem Fachbereich Asyl und Integration sowie mit dem Jobcenter gleich zwei Institutionen unter sich, die an entscheidender Stelle in die staatlichen Hilfen für zahlreiche Geflüchtete aus der Ukraine eingebunden sind. Wie herausfordernd war es für Sie, in so einer Situation das Ruder zu übernehmen?
Schultheiß-Lehn: Es war immer ganz wichtig, dass wir uns mit dem Fachbereich Asyl und Integration und dem Jobcenter zusammengesetzt haben und die Dinge miteinander besprochen haben. Die Prozesse, die Herausforderungen, die vor uns stehen. Ich glaube, wir haben das bisher immer sehr gut zusammen lösen können. Und wir konnten auch die Delegationsnehmer, also die Vertreter der Städte und Gemeinden, immer gut mitnehmen.
Medienbüro: Fast 2200 Menschen sind bisher vor dem russischen Angriffskrieg in den Landkreis Mainz-Bingen geflüchtet – wie stellt sich ihre Situation derzeit dar, was bekommen Sie von den Geflüchteten mit?
Schultheiß-Lehn: Wir nehmen wahr, dass viele Ukrainerinnen und Ukrainer sehr offen sind, Informationen haben wollen, die Sprache lernen wollen, gerne arbeiten möchten. Die Kinder gehen in die Schulen. Und sie wollen hier am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Wir merken das auch daran, dass Informationsveranstaltungen des Jobcenters gut besucht sind, dort herrscht großer Andrang. Und wir nehmen nach wie vor eine große Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung wahr.
Medienbüro: Welche anderen Themen aus Ihrem Verantwortungsbereich werden für den Landkreis und seine Bürgerinnen und Bürger in diesem Jahr noch besonders wichtig sein?
Schultheiß-Lehn: Besonders wichtig wird die wirtschaftliche Situation der Menschen sein – nach Pandemie, Krieg und Inflation. Wir werden im sozialen Bereich sehr viele neue Probleme bekommen. Wir sind hier gefragt, gezielt zu helfen. Ganz wichtig ist natürlich auch in diesem Bereich das Ehrenamt, das unsere Arbeit unterstützt und vielen Menschen vor Ort hilft. Weitere wichtige Themen sind Aufholen nach der Pandemie, insbesondere für junge Menschen, Pflege und Pflegeausbildung, Inklusion von Menschen in allen Altersgruppen und Lebenslagen, gleichwertige Versorgung im ländlichen Raum, die Integration von Geflüchteten und die Vernetzung der Beiräte untereinander. Da gibt es viele Schnittstellen. Das haben wir gerade gemerkt, als wir mit dem Behinderten- und Seniorenbeirat bei unserer neuen Busgesellschaft waren, um gemeinsam das Thema Barrierefreiheit anzusprechen. Das war für alle Beteiligten eine sehr gute Veranstaltung.
Medienbüro: Wir haben jetzt viel über Berufliches gesprochen. Was macht eine Kreisbeigeordnete nach Feierabend, wenn sie abschalten will?
Schultheiß-Lehn: Wenn alle zuhause sind natürlich Abendbrot essen und miteinander erzählen. Meine Tochter und mein Sohn sind immer viel unterwegs, daher ist das immer besonders schön, sie zu treffen. Dann hilft auch mal eine Joggingrunde oder eine Radtour. Zudem lese ich viele Bücher, wir haben eine gute Buchhandlung in meiner Heimatgemeinde Gau-Algesheim. Und manchmal hilft es zum Abschalten auch, durch die Wohnung zu putzen (lacht). Und dann ist da noch die Kommunalpolitik, ich bin schon sehr viele Jahre Mitglied im Verbandsgemeinderat Gau-Algesheim. Also auch das gehört für mich zum Ehrenamt dazu. Und nicht zuletzt engagiere ich mich bei „Essen auf Rädern“ und fahre einmal im Monat in der Mittagspause Essen aus. Damit habe ich während der Pandemie begonnen, als ich im Homeoffice war. Ich kann es nur weiterempfehlen, sich ehrenamtlich zu engagieren.
Medienbüro: Vielen Dank für das Gespräch!
Zur Person
Almut Schultheiß-Lehn wurde am 17. Dezember 2021 vom Kreistag zur hauptamtlichen zweiten Beigeordneten gewählt. In der Kreistagssitzung am 1. April 2022 erfolgte die Ernennung, Vereidigung und Einführung in das Amt. Die 52-jährige Gau-Algesheimerin leitet seitdem den Geschäftsbereich III der Kreisverwaltung. Damit ist sie verantwortlich für das Jobcenter, die Abteilung Soziale Hilfen sowie die Abteilung Soziale Sonderaufgaben.