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02. Oktober 2020

30 Jahre Einheit - ein regionaler Rückblick

Nach dem Mauerfall am 9. November 1989 ging alles sehr schnell: Runde Tische, Stasi-Unterlagen, Zwei-plus-Vier-Gespräche, Einheitsvertrag sind die großen Stichworte jener Zeit. Auch im Kleinen nahm das Zusammenwachsen Formen an: Mainz-Binger Gemeinden und der Kreis schlossen Freundschaften mit Kommunen der damaligen DDR.

Landrat Herzog und Landrat Andreas Tuch
Landrat Herzog und Landrat Andreas Tuch
Die Partnerschaftsurkunde
Die Partnerschaftsurkunde

Der Landkreis Mainz-Bingen schloss eine Partnerschaftsvereinbarung mit dem Landkreis Erfurt. Und auch einige Gemeinden aus Mainz-Bingen schlossen Freundschaften mit Kommunen in der damals noch bestehenden DDR. Zum Beispiel Ober-Olm und Schloßvippach. Eine Partnerschaft, die bis heute besteht und auch viele private Freundschaften mit sich brachte – zum Beispiel die der Familien Bielesch und Vieten, deren Geschichte unten beschrieben wird. 

Fast wäre die Zeremonie kurz vor Unterzeichnung der Partnerschaftsurkunde vorbei gewesen: Andreas Tuch, im Oktober 1990 Landrat des Landkreises Erfurt, wollte die gemeinsame Sitzung der Kreistage aus Erfurt und Mainz-Bingen gerade abbrechen, den Festakt ohne Höhepunkt beenden. Da riss er doch noch die Tür des historischen Sitzungssaals des Erfurter Barockgebäudes auf: Gerulf Herzog stand der Stress der vergangenen Stunden noch im Gesicht, aber im Saal machte sich Erleichterung breit. Schließlich hatte der Landrat die entscheidende Urkunde unter dem Arm – die Partnerschaftsvereinbarung zwischen seinem Landkreis Mainz-Bingen und dem Landkreis Erfurt. Der feierliche Akt zur Unterzeichnung konnte weitergehen.

Landrat stand im Stau

Ein Zeitungsartikel von damals offenbarte auch den Grund für Herzogs Verspätung: Stau! Denn während die Kreistagsmitglieder aus Mainz-Bingen am Morgen mit dem Bus angereist waren, kam Herzog mit dem Auto nach und wurde von den Folgen eines Unfalls auf der Autobahn gebremst - aber eben nicht gestoppt. Über Schleichwege bahnte er sich durch halb Thüringen einen Weg nach Erfurt, während im Festsaal schon die Reden gehalten wurden. Für Mainz-Bingen sprach Herzogs Stellvertreter, der Erste Kreisdeputierte Rolf Drewes, der sich ein „Volk der guten Nachbarn“ wünschte und Hilfe im Aufbau der Verwaltung anbot. Ein Angebot, dass Claus Schick, damaliger Fraktionschef der SPD und später Landrat von Mainz-Bingen, im Namen des Kreistages bekräftigte. Dieses Angebot wurde in den darauffolgenden Jahren mit Leben erfüllt, viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisteten in der Verwaltung Aufbauhilfe, waren im Austausch vor Ort, gaben an den Wochenenden Seminare, schulten in Kommunalrecht und Finanzen, halfen bei der Bewertung der Stellen.

Heute existiert die Partnerschaft nicht mehr, schon alleine deshalb, weil der Landkreis nicht mehr existiert: 1994 gab es in Thüringen eine Verwaltungsreform. Die Gebietskörperschaften sollten größer werden. Die Orte des Kreises Erfurt wurden zum Teil in die Landeshauptstadt eingegliedert, der übrige Teil ging in die Landkreise Sömmerda, Gotha, Ilm-Kreis und Weimarer-Land auf.

Als die Nachricht über die Maueröffnung am 9. November 1989 über den Äther ging, war für Maritta und Erhard Bielesch klar: Ab ins Auto und auf nach Düsseldorf. Endlich die West-Verwandtschaft einmal zu Hause besuchen. Zuvor hatten sich die Tanten, Onkel, Nichten und Cousinen immer nur in Schloßvippach in der damaligen DDR getroffen. Einmal im Jahr. Aber jetzt hatte das Paar die Gelegenheit zum Gegenbesuch sofort beim Schopfe gepackt. „Wir wussten ja nicht, wie lange die Grenze offen bleibt.“ Die Fahrt nach Düsseldorf dauerte lange. 12 Stunden waren die Bieleschs am Ende unterwegs: „Wir hatten keine Karten vom Westen und wussten gar nicht, wo wir hinmussten“, sagt sie und lacht. Der Besuch ist Maritta Bielesch noch in guter Erinnerung: „Das war Gänsehaut pur, eine völlig andere Welt für uns.“ 

Die Vietens und Bieleschs verbindet eine tiefe Freundschaft
Die Vietens und Bieleschs verbindet eine tiefe Freundschaft

Freunde in guten und in schlechten Zeiten

Das Wochenende im Westen war zwar schnell vorbei. Aber das Interesse am Westen blieb – und wurde durch die ersten Kontakte der Gemeinde Schloßvippach ins rheinhessische Ober-Olm verstärkt. Und irgendwann bei einem der ersten Treffen setzte der damalige Ortsbürgermeister Heribert Schmitt seine Mitbürger Claudia und Reinhold Vieten an den Tisch der Bieleschs: „Das hat sofort gefunkt“, erinnert sich Claudia Vieten. „Die Chemie stimmte und es begann eine schöne, freundschaftliche, familiäre Verbindung, die nun schon 30 Jahre hält. Wir feiern Familienfeste zusammen. Aber auch bei traurigen Anlässen stärken wir uns den Rücken, trösten uns“, beschreibt Claudia Vieten die Freundschaft. Und selbstverständlich nehmen die vier auch aktiv an der Partnerschaft teil. Bei fast allen Feiern waren sie dabei – häufig auch an zentraler Stelle: „Unsere Freunde in Schloßvippach bewirtschafteten jahrelang den Ratskeller im Dorf. So fanden alle Familienfeiern oder Besuche der Gemeinde oder der Vereine aus Ober-Olm im Ratskeller oder im dazugehörigen Saal statt“, sagt Claudia Vieten. „Wir haben dann oft in Küche und Ausschank geholfen.“ 

Historischer Rückblick nach Schloßvippach.
Historischer Rückblick nach Schloßvippach.
Die Partner bei ihren gemeinsamen Treffen
Die Partner bei ihren gemeinsamen Treffen

1990 war für Claudia Vieten auch schnell klar, dass sie bei der Partnerschaft ihrer Heimatgemeinde mitmacht. Und auch die Gegend rund um Schloßvippach war ihr nicht unbekannt: „Mein Vater hat zu Kriegszeiten einen Mann aus dem Osten kennengelernt der wegen eines Bauchschusses in einer Scheune untergebracht war. Sie freundeten sich an und wurden Freunde fürs Leben.“ Der Freund kam aus Kannawurf, ein Ort nur 37 Kilometer von Schloßvippach entfernt. Claudia Vieten war 12 Jahre, als sie zum ersten Mal mit dem Zug zu Papas Freunden fuhr: „Mit einem Koffer voller Schokolade und Kaffee.“ Viele Treffen folgten: „Die Nachricht des Mauerfalls war für mich dann das schönste Ereignis und Geschenk der Geschichte.“

Treffen meistens am 3. Oktober

In all den Jahren haben die Vietens und die Bieleschs viel miteinander erlebt, die jeweils andere Heimat zusammen erkundet, gemeinsame Erfahrungen gemacht. Claudia Vieten blickt zurück: „Vieles hat sich in den Dörfern seit damals verändert, aus den Schotterstraßen und grauen Häusern sind helle bunte Häuserfassaden mit neuen Straßen geworden. Die Kirchen die früher als Baulager dienten sind heute von vielen Menschen wieder liebevoll hergerichtet worden.“ Das Wichtigste an der Partnerschaft ist aber die Freundschaft zueinander: „Die Menschen haben sich gegenseitig gebraucht und haben sich geholfen. Sie waren füreinander da“, sagt Claudia Vieten. Und Maritta Bielesch fügt hinzu: „Wir pflegen unsere Freundschaft, treffen uns einmal im Jahr, meistens am 3. Oktober.“ Dann feiern die Vietens und die Bieleschs ihr persönliches Einheitsfest, immer in einem anderen Ort, einer anderen Stadt, oft in der Mitte zwischen den beiden Heimatgemeinden. In diesem Jahr fällt das Treffen aber leider aus. Wegen der Pandemie gehen die Freunde auf Nummer sicher und hoffen auf das kommende Jahr: dann feiern die Bieleschs Goldene Hochzeit. Und da wollen Claudia und Reinhold Vieten ganz sicher wieder dabei sein.

Der Ratskeller in Schloßvippach heute.
Der Ratskeller in Schloßvippach heute.
Gemeinsame Feiern erhalten die Freundschaft.
Gemeinsame Feiern erhalten die Freundschaft.

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