23. August 2020
Interview mit Gesundheitsamtsleiter Dr. Hoffmann
Wie hat sich das Infektionsgeschehen aus Sicht des Gesundheitsamtes seit Schulbeginn entwickelt? Was passiert, wenn sich Schülerinnen und Schüler infizieren? Und wie sieht es aktuell mit den Reiserückkehrern aus? Diese und weitere Fragen haben wir Dr. Dietmar Hoffmann, Leiter unseres Gesundheitsamtes, gefragt. Die Antworten finden Sie hier:
Wie hat sich das Infektionsgeschehen aus Sicht des Gesundheitsamtes seit dem Schulbeginn entwickelt?
Leider genauso, wie es zu erwarten war. Nach längerem Lockdown, dem anschließenden eingeschränkten Regelbetrieb und den Sommerferien begann am Montag wieder unmittelbar der Regelbetrieb. Es gibt zwar neue Hygienekonzepte, welche für die Schulen verbindlich sind und es besteht für die älteren Schülerinnen und Schüler zumindest eine Maskenpflicht in den Fluren und auf dem Schulhof, aber wenn sich in einem Klassenzimmer 20 – 30 Kinder und Lehrkräfte aufhalten, dann liegt doch eine relevante Ansteckungsgefahr vor, falls ein Schüler oder eine Schülerin davon positiv ist. Auch die in den Hygieneplänen empfohlenen Stoß- und Querlüftungen lassen sich aufgrund der baulichen Situation oftmals nicht verwirklichen. Somit mussten wir bereits am Mittwoch circa 200 Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte aus mehreren Schulen im Landkreis in die häusliche Quarantäne schicken, da Kontakt zu positiven Fällen bzw. sehr dringenden Verdachtsfällen bestand.
Wenn jetzt ein Schüler oder eine Schülerin mit positivem Status die Schule besucht hat, müssen sich dann alle Kontaktpersonen in Quarantäne begeben, also z. B. die gesamte Klasse, die Klassenstufe oder sogar die ganze Schule?
Wir versuchen soweit wie möglich jeden Einzelfall einzugrenzen und nehmen eine Risikobewertung vor. Da spielen viele Faktoren eine Rolle, z. B. die Symptomatik des Infizierten, die Dauer des Schulbesuchs, die Enge und Dauer des Kontaktes zu Mitschülerinnen und Mitschülern, die Frist zwischen dem letzten Schulbesuch und der Testung und vieles mehr. Nach diesen Parametern klassifizieren wir die Kontaktpersonen nach erstem und zweitem Grad. Derzeit würden wir alle Schülerinnen und Schüler, welche einen Schultag im Klassenzimmer gemeinsam mit einem bereits erkrankten und symptomatischen Mitschüler verbracht haben, ohne dabei eine Maske getragen zu haben, als Kontaktperson eins klassifizieren – dies bedeutet eine 14-tägige Quarantäne. Wenn die Klassen einer Stufe nicht durch gemeinsamen Unterricht durchmischt werden, können wir es dann auch bei dieser Klasse belassen. Wenn der oder die Erkrankte nur kurz die Schule besuchte und auch die individuellen Rahmenbedingungen eher eine geringere Ansteckungsmöglichkeit vermuten lassen, würden wir die Mitschüler als Kontaktperson zwei einstufen. Das RKI empfiehlt hier keine strenge Quarantäne sondern in erster Linie allgemeine Hygiene und verstärkte Selbstbeobachtung hinsichtlich möglicher Symptome. Tatsächlich ist es für die Gesundheitsbehörden äußerst schwierig solche Klassifikationen vorzunehmen, zumal auch die Erfahrung fehlt, wie sich das Virus in Klassenräumen verbreitet und wie groß hier die Ansteckungsgefahr wirklich ist. Daher sind wir gerade jetzt zum Schulstart etwas vorsichtiger und würden eher mal einzelne Schulklassen zunächst nachhause schicken und ein Test vornehmen.
Patienten mit leichter Symptomatik können im Einzelfall schon 10 Tage nach Krankheitsbeginn aus der Quarantäne entlassen werden. Warum müssen Kontaktpersonen 14 Tage in Quarantäne bleiben?
Das Robert Koch Institut hat vor einigen Wochen die Quarantänedauer für Infizierte mit sehr leichter Symptomatik von 14 auf zehn Tage verkürzt. Voraussetzung ist allerdings eine absolute Symptomfreiheit in den letzten beiden Tagen. Der wissenschaftliche Hintergrund hierzu ist, dass in der Regel um den 7. Tag kein vermehrungsfähiges Virusmaterial mehr nachweisbar ist. Das führt zu der schwierig zu kommunizierenden Situation, dass möglicherweise ein weiterer Abstrich – welcher auf eigene Veranlassung z. B. am 15. Tag genommen wurde – weiterhin positiv ist, aber keine neue Quarantäne verhängt wird. Wir müssen uns hierbei auf die medizinische Expertise unserer Fachgesellschaften verlassen. Tatsächlich betreuen wir selbst Patienten, welche sechs bis sieben Wochen nach Infektionsbeginn bei Kontrollen immer noch ein positives Ergebnis zeigen. Bei engen Kontaktpersonen ist die Situation eine andere: Hier geht man von der längstmöglichen Inkubationszeit aus, also dem Zeitraum zwischen der Ansteckung und dem Krankheitsausbruch beziehungsweise Virusnachweis. Das heißt, erst wenn man nach 14 Tagen keine Symptome zeigt, ist man bei engen Kontaktpersonen auf der sicheren Seite.
Sie empfehlen engen Kontaktpersonen, z. B. am 6. Tag zu testen. Verkürzt sich hierdurch die Quarantäne?
Leider nein, die 14-tägige Quarantäne bleibt bei Risikokontakten, also bei einer Klassifikation als Kontaktperson 1, aus den genannten Gründen davon unberührt. In der Regel dauert die Inkubationszeit aber nicht zwölf bis 14 Tage, sondern das Virus lässt sich zumeist bereits am 5. oder 6. Tag nachweisen. Bei dieser Nachtestung von engen Kontaktpersonen geht es daher in erster Linie darum, ob wir deren Umfeld ebenfalls untersuchen müssen, falls sie als Kontaktperson zwischenzeitlich selbst positiv geworden sind. Daneben gibt es aber auch Kontakte mit geringerem Risiko, zum Beispiel bei kurzer Dauer unter 15 Minuten oder wenn eine Maske getragen wurde und der Abstand ausreichend war. Dann ist ein Test eigentlich nicht erforderlich, kann aber sehr zur Beruhigung beitragen.
Wie sieht es mit den Reiserückkehrern aus?
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